20.05.23
Mai – der Wonnemonat
Nur im Mai ist das Grün der frischen Blätter so grün. Und so willkommen nach dem grauen Winter. Maikäfer sieht man zwar hier in der Mitte von Berlin keine mehr fliegen, aber manche Dinge bleiben immer gleich. So feiern wir im Monat Mai die Mama am Muttertag und den Papa am Vatertag, dieses Jahr feiern wir sogar auch einen König. Na gut, es ist nicht unser König. Aber keiner kann so ein Ereignis so zelebrieren wie die Briten und deshalb schwappt es auch sehr willkommen rüber in unser nüchternes Deutschland.
Meine Freundinnen und ich hatten jedenfalls Lust auf so eine richtige Krönungsparty. Natürlich habe ich Scones gebacken, ein Rezept dafür hatten mir meine englischen Verwandten schon lange geschickt. Und ja, es stammt aus der Küche des Buckingham Palasts. Schon mehrfach praktiziert, klappt es hervorragend und schmeckt auch noch sehr gut.
Die echte Herausforderung bestand nun in der Zubereitung der „Coronation Quiche“. Der Palast hatte vor einiger Zeit schon das Rezept veröffentlicht. Ebenso ein You Tube Tutorial. Zur Krönung der Queen verspeiste seinerzeit ganz Britannien das „Coronation Chicken“. Jetzt soll es eine – zugegebenermaßen umstrittene - Quiche sein. Sie sei gar nicht britisch, sondern Französisch und außerdem vegetarisch, na sowas. Das „Coronation Chicken“ war damals indisch gewürzt und nun ist es ein britisches Nationalgericht.
Jedenfalls hatte ich sicherheitshalber eine Woche vor dem großen Ereignis die Quiche schon mal geübt. Das war ganz gut, denn laut Rezeptbesprechungen im Internet sollte man die in der Zutatenliste angegebene „Double Cream“ problemlos durch Schlagsahne ersetzten können. Ich weiß ja nicht, wer sich das ausgedacht hat… natürlich funktionierte das überhaupt nicht. Die ganze Sache lief nämlich und damit aus der Fassung und aus der Form.
Ich setzte im Rahmen meiner schöneberger Möglichkeiten alles daran, die notwendige Double Cream aufzutreiben. Eigentlich bin ich ja seit jeher überzeugt davon, dass es im guten alten KaDeWe alles gibt. Double Cream hatten sie nicht. Sie hatten auch noch nichts davon gehört, wozu man sie braucht. Nur sich gewundert, dass die Leute „wie verrückt“ Estragon kauften, ebenfalls eine notwendige Zutat für die Coronation Quiche. Ich empfahl, in Sachen Coronation Quiche Double Cream für die folgende Woche zu ordern. Jedenfalls hatte ich Glück bei „Broken English“ ein Laden für englische Spezialitäten in Kreuzberg. Selbstverständlich hatten sie Double Cream. Und dann wusste ich auch, wie notwendig sie ist, mit 51% Fett viel fester und stabiler als Schlagsahne.
Am Tag vor der Krönung kaufte ich also alle Zutaten noch einmal frisch, nicht nur Eier, Milch und Mehl, sondern auch Spinat, Saubohnen (!) und Cheddar. Die Double Cream hatte ich ja schon, es fehlte nur noch frischer Estragon. Jeden Tag laufe ich an dem Gemüseladen meines Vertrauens vorbei. Er führt eine ansehnliche Kollektion von Kräutern. Von weitem hatte ich schon vor Tagen eine größere Menge Estragon erspäht. Das würde also kein Problem sein und kam auf die Einkaufsliste ganz unten. War es aber dann doch, als ich zum Zwecke des Erwerbs den Laden betrat und von meinem Gemüsefreund Mehmet darüber aufgeklärt wurde, dass das, was ich für Estragon gehalten hatte, Lavendel war.
Mir brach der Schweiß aus, die Zeit war knapp. Nach vier Supermärkten ohne Estragon konnte ich nicht mehr laufen und nahm den Bus zum fünften. Das Estragon-Fach im umfangreichen Kräuterangebot war leer. Nun blieb nur doch „das gute alte KaDeWe“. Ich setzte die Busreise fort und schoss in die Sechste, um erfolgreich das letzte Päckchen feinster taufrischer Estragon zu ergattern. Beim Bezahlen unterhielten sich die beiden jungen Verkäuferinnen darüber, warum wohl die Leute Estragon kauften wie die Verrückten… dieses Mal verzichtete ich auf die Aufklärung.
Die Quiche war in der zweiten Auflage übrigens überaus köstlich, die Scones samt Clotted Cream ganz wunderbar, Sandwiches gab es auch und der Fernseher hielt ebenfalls durch. Die Krönung von Charles dem IIl. klappte, meine Ladies waren amused und die Party war – sicher wie viele andere in Berlin auch – ein voller Erfolg.
Grüße mit Krönchen
Ingrid Lang